Vogt

Vogt

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Vogt 〈m. 1u; früher
2. Schirmherr (Kirchen\Vogt)
3. Richter (Gerichts\Vogt)
4. Burg-, Schlossverwalter (Burg\Vogt, Schloss\Vogt)
[<mhd. vog(e)t <ahd. fogat „Vogt“ <lat. vocatus = advocatus „Beistand, Rechtsanwalt, Rechtsbeistand“]

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Vogt, der; -[e]s, Vögte [mhd. vog(e)t, ahd. fogat < mlat. vocatus < lat. advocatus, Advokat] (früher):
landesherrlicher Verwaltungsbeamter.

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I
Vogt
 
[althochdeutsch fogat, von mittellateinisch vocatus »Sachwalter«], lateinisch Advocatus, im mittelalterlichen Staatswesen von einer weltlichen oder geistlichen Herrschaft eingesetzter Vertreter zur Wahrnehmung ihrer Herrschaftsrechte. Es wurde unterschieden zwischen Reichsvogt und Kirchenvogt, der ursprünglich als Laie einen Geistlichen, eine Kirche, ein Kloster in weltlichen Dingen, v. a. vor Gericht, vertrat; allmählich übernahm der Vogt auch die Verwaltung des Kirchenguts. Nachdem mit der Ausbildung kirchlicher Immunitäten die Gerichtsbarkeit an diese gefallen war, gelang es den Vögten, diese Gerichtsbarkeit an sich zu ziehen. Damit wurden sie, besonders nachdem sich gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Erblichkeit der Vogteien weitgehend durchgesetzt hatte, seit dem 12. Jahrhundert zu einem wesentlichen Faktor bei der Ausbildung der Landesherrschaft (landesherrliche Schirmvogtei; Schirmvogt, Schutzvogt). Dagegen versuchte die Kirche, die Rechte der Vögte, die sich vom frei gewählten Vogt der Karolingerzeit zum Edel- oder Herrenvogt des Hochmittelalters entwickelt hatten, festzuschreiben oder sie durch eigene Amtsträger zu ersetzen (Entvogtung). Im Spätmittelalter war Vogt auch Bezirk für landesherrliche Verwaltungs-Beamte, z. B. den Viztum, oder für Unterbeamte des Amt- oder Oberamtmanns; in den deutschen Städten des Mittelalters war der Stadtvogt der vom Stadtherrn mit der hohen Gerichtsbarkeit Beauftragte.
 
 
O. Brunner: Land u. Herrschaft (51965, Nachdr. 1990);
 H. Mitteis: Dt. Rechtsgesch., bearb. v. H. Lieberich (191992).
 
II
Vogt
 
[f-],
 
 1) Alfred, schweizerischer Ophthalmologe, * Menziken (Kanton Aargau) 31. 10. 1879, ✝ Oberägeri (Kanton Zug) 10. 12. 1943; ab 1918 Professor in Basel, ab 1923 in Zürich; Arbeiten zur mikroskopischen Augenuntersuchung mit der Spaltlampe und zur Genetik der Augenkrankheiten.
 
 2) Carl, Naturforscher, Philosoph und Politiker, * Gießen 5. 7. 1817, ✝ Genf 5. 5. 1895; wurde 1847 Professor in Gießen und 1848 - als Vertreter des demokratischen (linken) Flügels - Abgeordneter im Vorparlament, dann in der Frankfurter Nationalversammlung, 1849 durch das Stuttgarter Rumpfparlament zu einem der fünf Reichsregenten gewählt. Nach dem Scheitern der Revolution floh er in die Schweiz, wo er seit 1852 in Genf als Professor der Geologie und Zoologie wirkte. Seit 1878 gehörte er dem schweizerischen Nationalrat an. Als Philosoph löste er den »Materialismusstreit« aus (Materialismus).
 
Werke: Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände, 3 Bände (1845-47); Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde, 2 Bände (1846-47); Köhlerglaube und Wissenschaft. Eine Streitschrift gegen Hofrath Rudolph Wagner in Göttingen (1855); Lehrbuch der praktischen und vergleichenden Anatomie, 2 Bände (1888-94, mit E. Yung); Aus meinem Leben. Erinnerungen und Rückblicke (herausgegeben 1896).
 
Ausgabe: Vogt, Moleschott, Büchner. Schriften zum kleinbürgerlichen Materialismus in Deutschland, herausgegeben von D. Wittich, 2 Bände (1971).
 
 
F. Gregory: Scientific materialism in nineteenth century Germany (Dordrecht 1977).
 
 3) Hans, Elektrotechniker, * Wurlitz (heute zu Rehau) 25. 9. 1890, ✝ Erlau (heute zu Obernzell, Landkreis Passau) 4. 12. 1979; arbeitete zunächst bei der AEG, gründete 1930 in Berlin ein eigenes Labor und nach 1948 in Passau ein Werk für Hochfrequenzwerkstoffe. Mit Joseph Massolle (* 1889, ✝ 1957) und J. B. Engl entwickelte Vogt 1912-22 das Triergon-Lichttonverfahren zur Aufnahme und Wiedergabe von Tonfilmen (Filmtechnik). Darüber hinaus konstruierte er zahlreiche elektrotechnische Geräte, u. a. Lautsprechersysteme und Hochfrequenzspulen mit Magnetkernen.
 
Werke: Die Erfindung des Tonfilms (1954); Die Erfindung des Lichttonfilms, in: Abhandlungen und Berichte des Deutschen Museums, Jahrgang 32, H. 2 (1964).
 
 
Männer der Funktechnik, hg. v. S. von Weiher (1983).
 
 4) Joseph, Althistoriker, * Schechingen (Ostalbkreis) 23. 6. 1895, ✝ Tübingen 14. 7. 1986; wurde 1926 Professor in Tübingen, wohin er nach Stationen in Würzburg (seit 1929), Breslau (seit 1936), wieder Tübingen (seit 1940) und Freiburg im Breisgau (seit 1944) 1946 endgültig zurückkehrte. Vogt begründete die »Forschungen zur antiken Sklaverei« (1967 ff., herausgegeben von H. Bellen).
 
Werke: Die alexandrinischen Münzen, 2 Bände (1924); Die römische Republik (1932); Ciceros Glaube an Rom (1935); Constantin der Große und sein Jahrhundert (1949); Der Niedergang Roms (1965, Neuausgabe 1976 unter dem Titel Die Spätantike); Sklaverei und Humanität (1965).
 
 5) [fukt], Nils Collett, norwegischer Schriftsteller, * Christiania (heute Oslo) 24. 9. 1864, ✝ ebenda 23. 12. 1937; war als Lyriker v. a. der Naturschilderung verpflichtet (»Digte«, 1887). In seinen autobiographisch geprägten Romanen (»Harriet Blich«, 1902; deutsch) setzte er dagegen sozialkritische Akzente; auch Dramatiker.
 
 6) Oskar, Neurologe, * Husum 6. 4. 1870, ✝ Freiburg im Breisgau 31. 7. 1959; ab 1913 Professor in Berlin und ab 1931 Direktor des dortigen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung. 1937 gründete er (und leitete) das Institut für Hirnforschung und Allgemeine Biologie in Neustadt im Schwarzwald. Seine Arbeiten (meist mit seiner Frau Cécile Vogt, * 1875, ✝ 1962) betreffen die Hirnforschung und die Psychiatrie (besonders Hypnoseforschung), die Pathologie des Gehirns und die Bestimmung von Zentren der Großhirnrinde (Gehirntopik, Lokalisationslehre). Vogt sezierte das Gehirn Lenins.
 
 7) Walter, schweizerischer Schriftsteller, * Zürich 31. 7. 1927, ✝ Muri bei Bern 21. 9. 1988; war 1960-68 Röntgenarzt, danach Psychiater. Ärzte, Patienten und Krankenhäuser waren seit seinem ersten literarischen Erfolg mit dem Roman »Wüthrich. Selbstgespräch eines sterbenden Arztes« (1966) häufige Themen seines Werkes (»Der Wiesbadener Kongress«, 1972), das einen oft satirisch-ironischen Ton trägt und bisweilen ins Groteske gesteigert ist. Tagebuchartige Auseinandersetzungen mit dem eigenen Ich führte Vogt in »Vergessen und Erinnern« (1980) und »Altern« (1981). Daneben entstanden Dramen, Gedichte und Hörspiele.
 
Ausgabe: Werkausgabe, herausgegeben von D. Halter u. a., 10 Bände (1991-97).

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Vogt, der; -[e]s, Vögte [mhd. vog(e)t, ahd. fogat < mlat. vocatus < lat. advocatus, ↑Advokat] (früher): landesherrlicher Verwaltungsbeamter.

Universal-Lexikon. 2012.

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